Berichterstattung 2022, LVZ

LVZ Muldental, von Haig Latchinian
 
Heimspiel für Äthiopier: 21-Jähriger triumphiert beim Wurzener Ringelnatzlauf
Habtamu Geleta gewinnt den Hauptlauf in neuer Rekordzeit. Hunderte Starter, Besucher und Helfer feiern Sportfest für die ganze Familie.

Er war der gefeierte Triumphator des 10. Ringelnatzlaufes: Habtamu Geleta aus Äthiopien. Der 21-Jährige legte die zehn Kilometer in sensationellen 32 Minuten und zwölf Sekunden zurück – Rekord in Wurzen!

Der einstige Flüchtling und heutige BMW-Mitarbeiter lebte die meiste Zeit bei der befreundeten Familie Martin im Wurzener Land, einem „Rennstall“, aus dem auch der Deutsche Vizemeister über 800 Meter, Rocco Martin, kommt.

Angst vor Hyänen

Auf die Frage, weshalb Äthiopier solche Laufwunder seien, sagte Habtamu: „Als ich früher aus der Schule kam, war es oft dunkel. Und so bin ich die weite Strecke bis nach Hause gerannt – schon allein aus Angst vor den Hyänen.“

Die Stimmung hätte nicht besser sein können: Moderator Stefan Bräuer heizte vor jedem Start ordentlich ein. Oberbürgermeister Marcel Buchta tänzelte vor der Bühne. Und Cheforganisator Thomas Zittier freute sich über 670 angemeldete Läufer.

Erster Marathon in Deutschland

Einer der ältesten Starter war Frank Gottert. Der 82-Jährige brauchte für die fünf Kilometer zwar länger als der junge Äthiopier Habtamu Geleta für die doppelte Distanz: Doch was für ihn zählte, war allein der Spaß an der Freude.

Gottert hat ein Buch über die Rennerei geschrieben. Er weiß: Der erste Marathon in Deutschland wurde am 9. September 1897 gelaufen – von Paunsdorf nach Bennewitz und zurück. Der Ringelnatzlauf knüpfe somit an alte Traditionen an.

Startschuss aus dem Revolver

Der Clou, so Gottert: „Es war ein Fußballer, der vor 125 Jahren gewonnen hatte – Theodor Schöffler, der nicht nur als Initiator des Laufes galt, sondern auch als Mitbegründer des VfB Leipzig, des späteren ersten Deutschen Fußballmeisters.“

Gerd Bretschneider, Kommandant der Wurzener Salutformation, feuerte aus seinem Neun-Millimeter-Revolver den symbolischen Startschuss ab. Denny Scharf schwitzte im überlebensgroßen Maskottchen namens RiLa.

„Sportskanone“ Ringelnatz

„Das ist kein Elefanten-Rüssel, das ist die Nase von Ringelnatz“, verriet er hinter dickem Plüsch. Beim Anblick der triefend-schniefenden Läufer stellte auch Annett Schimmel eine Verbindung zum Namenspatron des Laufes her.

Sie saß schräg gegenüber vom Geburtshaus des Künstlers und feuerte die Sportler an: „Ringelnatz war nie ein Fan von Leibesübungen. Sie waren für ihn mehr Last als Lust, spätestens seit seinem preußisch-gedrillten Sportlehrer.“

Anwohner unterstützen Lauf

Wenn sie an ihre eigene Schulzeit denke, sei sie da sehr bei Ringelnatz: „Trotzdem würde er im Crostigall seine helle Freude haben. Da ist der Läufer mit dem dicken Bauch. Der rennende Vater mit dem Kind auf den Schultern. Da sind die Stockenten...“

Stockenten, so nannte die Anwohnerin auf ihrem Campingstuhl liebevoll die „watschelnden, stöckelnden“ Nordic-Walker. Evelyn Hochstein und Stefanie Huhn mit Sohn Yannik reichten den Läufern reihenweise Trinkbecher.

Olympiasieger mit am Start

Heiko Pahnitz und René Scholz von der Feuerwehr erfrischten die Sportler. Tilo Bohne und Oli Stelzer bespielten die riesige LED-Wand aus dem Hause Sonnek. Wie 60 weitere ehrenamtliche Helfer machten sie einen tollen Job.

Auch Wurzens Doppel-Olympiasieger Philipp Wende, Mitglied des veranstaltenden Verschönerungsvereins „Stadtwandler“, packte nach überstandener Coronainfektion bei Auf- und Abbau mit an. Der Ruderer fungierte als Streckenposten und ging selber an den Start.

Lauf für die ganze Familie

Erstmals stellte das Wurzener Rathaus eine Staffel: Michael Zerbs (Tiefbauamt), Kristin Pregel (Bürgerdienst), Nancy Markwart (Kämmerei) und OBM Buchta liefen genauso für die gute Sache wie die Wurzener Basketballer um Trainer Andreas Kalis.

Jörg Matthé, Gewinner des Leipzig-Marathons 2008, lobte den Ringelnatzlauf als liebevoll handgestrickte Laufveranstaltung für die ganze Familie. So originell das Drumherum, so witzig die Preise: Gießkanne, Weihnachtsbaum, Ringelnatzbier.


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